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Hans Marquardt, Hendrike Meier

 

Blond bis aufs Blut

1997, 16 mm, Farbe, 75 Min.

Regie, Buch, Co-Kamera, Schnitt, Produktion: Lothar Lambert. Kamera, Musik: Albert Kittler. Ton: Michael Sittner.

Darsteller: Hans Marquardt, Erika Rabau, Michael Sittner, Ulrike S., Harald Eberhard, Dorothea Moritz, Heike Hanold-Lynch, Carl Andersen, Andrea Reinschmidt, Nilgün Taifun, Baduri, Lothar Lambert, Ennio Curcetti, Norbert Tefelski, Heiko Behrens, Renate Soleymany, Dirk Schütt, Matthias Heine, Irene Schweitzer, Manuel Hendry, Hendrike Meier, sowie Evelyn Künneke und Marion Michael als sie selbst.

Allen echten und falschen Blondinen dieser Welt gewidmet.

 

Kurzinhalt 

Der Schauspieler Holger Miesbach kann diesem wie irgendeinem anderen Beruf nicht mehr nachgehen, aus psychischen Gründen und trotz andauernder psychiatrischer Behandlung. Derweil seine Mutter Telephonsex offeriert, bei welchem sie sich als Minderjährige ausgibt und stets vergißt, sich bezahlen zu lassen, widmet er sich der Malerei, vor allem aber seiner schon in Kindestagen entfachten Freude am Autogrammsammeln. Als die Aktrice Gloria Mundi, die als Teenager Erfolge durch freizügige Szenen gefeiert, doch 1961 in Hollywood ihre Mutter und deren Liebhaber getötet hat, nach Berlin zurückkehrt, steigert sich Holgers Faible für den abgetakelten Star zur Besessenheit.

 

Inhalt (ENTHÄLT SPOILER)

Vorspruch: „Allen echten und falschen Blondinen dieser Welt gewidmet.“

Historische Photos von Blondinen, dazwischen die Titel und eine Tafel: „Nimm mich bitte nicht, wie ich bin, sondern wie ich immer sein wollte! Schlüssel-Zitat aus dem Film ‚Lorenas Rache’ von 1958. Mit Gloria Mundi, Lex Barker, Ray Milland, Agnes Moorehead. Regie Jack Arnold. Produktion Warner Bros.” Ein fülliger junger Mann sitzt in einem Zimmer und sagt telephonisch seiner Oma ab, denn Holger mache „sich grad schön – für die Hitparade; wir haben zwei Karten: erste Reihe!“ Zoom auf ein zwischen Filmbüchern liegendes „Zitty“-Heft, Titel: „Jäger und Sammler – Die Gier nach Autogrammen“. Eine ältere Frau steht vor dem Badezimmerspiegel, blondiert sich und tadelt ihren Sohn dafür, daß er sich beim Urinieren hinsetzt. [weiter]

 

Lothar Lambert erinnert sich (2010)

Der Film sollte sich eigentlich um Marion Michael drehen, zu der durch Dagmar Beiersdorf ein privater Kontakt entstanden war. Sie hatte schon zugesagt, dann aber in letzter Minute kalte Füße gekriegt. Ich denk mal, ihr Mann wird ihr auch abgeraten haben. Sie war ja psychisch sehr labil. Wenn die Titelrolle als „Liane, das Mädchen aus dem Urwald“ der Höhepunkt des Leben war und jetzt kommt jemand, sei er dir noch so sympathisch, und will da was draus machen, obendrein in einem Genre, das sowieso ein bißchen anrüchig ist, ohne Geld und so, da überlegt man sich schon genau, ob einem das gut tut. Womöglich hatte sie das Gefühl, man macht sich im Nachhinein lustig über ihre mißratene Karriere. Horst Königstein hat ja dann für den NDR ein Musical und eine Dokumentation über sie und mit ihr produziert. Ich mußte ersatzweise eine Gloria Mundi erfinden, die so ein ähnliches Schicksal wie Marion Michael hat, welche dann aber immerhin zu einem Gastauftritt als sie selbst bereit war, als einstige Konkurrentin von Gloria Mundi. Daß sich „Blond bis aufs Blut“ um die Faszination des Kinos aus Sicht der Fans dreht, war also eine Notlösung. So haben sich die Gewichte der Figuren verlagert und die von Hans Marquardt und Michael Sittner gespielten Rollen sind in den Mittelpunkt gerückt.

Bei Hans Marquardt, der ja schon in „In Haßliebe Lola“ wieder kurz zu sehen ist, zum ersten Mal bei mir seit „Die Liebeswüste“, hatte sich die Lebenssituation entscheidend verändert. Er war ein künstlerisch begabter junger Mann gewesen, der seinen Weg suchte, und hatte sich dann eben ganz für den Journalismus entschieden. In seiner Eigenschaft als Kulturredakteur der „BZ“ hab ich ihn, glaube ich, wieder angesprochen, einmal an meinen Schneidetisch zu kommen. Und darüber, daß er was schreibt über meine Sachen oder schreiben läßt, sind wir wieder zusammengekommen. Er fing auch an, seine Schauspielerei zu vermissen, und hatte das Bedürfnis, sich noch mal auszuprobieren und zu überlegen, ob’s einen Weg zurück dahin geben könnte. Durch seine berufliche Entwicklung hatte sich unser Verhältnis zueinander verändert, ich trat jetzt sozusagen als Bittsteller auf, und er hat mir die „Gnade“ erwiesen, wieder eine große Rolle zu spielen. Das hat er dann ja sehr gut gemacht. Es gab auch keine Probleme hinter der Kamera. Um seinen Job bei der „BZ“ zu bewältigen, muß er ja viel Disziplin haben. Er ist einfach ein erwachsener, reifer Mensch geworden, während manche – ich will jetzt keine Namen nennen – ihre Pubertät nie überwinden.

Michael Sittner wurde von Albert Kittler als Helfer mitgebracht. Michael hat bei „In Haßliebe Lola“ als Fahrer gearbeitet und immer Dagmar Beiersdorf von zu Hause abgeholt. Er bekam dann die kleine Rolle als Polizist, den Lola verführt, das war sozusagen die Talentprobe. Er hat ja oft den Ton gemacht bei mir, auch bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Dann hatte ich das Gefühl, er ist darstellerisch ein tolles Talent. Zum ersten Mal seit Jahren hat mich wieder eine männliche Figur interessiert. Wahrscheinlich war ich auch die ewigen weiblichen Querelen leid. Die konnte ich ja in diesen Geschichten unterbringen, die sich um Michael drehten, der anfangs immer den Schwulen spielte, der nicht an den Hübscheren rankommt. Obwohl Michael privat gar keine Tendenzen in diese Richtung hat.

Heiko Behrens hat auch so eine bunte Karriere. In der DDR war er unter anderem Schauspieler am Theater Anklam. Kennengelernt hab ich ihn dadurch, daß er das Lokal führte in dem Haus in der Wielandstraße, in dem ich wohnte. Da bin ich mit dem Team immer essen gegangen, am Ende eines Drehtages von „In Haßliebe Lola“, und so hat Heiko in dem Film auch mitgespielt. Er hatte später noch andere Lokale. Und jetzt ist er Psychotherapeut geworden, mit Praxis in der Schlüterstraße. Die ist aber zu klein, um dort zu drehen. Psychopraxisszenen habe ich oft – wie man in „Made in Moabit“ erfährt – beim Opferhilfe e.V. gemacht, der in der Oldenburger Straße im Vorderhaus residierte, wo im Hinterhaus mein Atelier ist. Das ist jetzt renoviert, diese braune Tapete, die man in vielen Filmen sieht, ist weg, die Wände sind weiß. Deshalb kann man jetzt dort so tun, als sei es eine psychotherapeutische Praxis, mit meiner blauen Couch. Wie das Büro des Opferhilfe e.V. sieht man in „Blond bis aufs Blut“ zum ersten Mal auch das Hotel Bogota in der Schlüterstraße. Heiko Behrens war da tatsächlich Nachtportier und spielte das nicht nur in „Und Gott erschuf das Make-up“ und „Verdammt in alle Eitelkeit“. Diese Halle mit den Bogenfenstern und der Treppe war das Atelier der berühmten Photographin Yva, bei der Helmut Newton gelernt hat. Das Hotel gehört einer spanischen Familie, die meine Filme mag.

Die Gloria-Mundi-Darstellerin Hendrike Meier ist eine Holländerin, die muß sich irgendwann mal beworben haben oder irgend jemand hat sie mitgebracht, das weiß ich nicht mehr. Nach „Blond bis aufs Blut“ hatte ich noch ein wenig Kontakt zu ihr, habe sie auch zu den nächsten Premieren eingeladen, wußte aber nichts mehr mit ihr als Darstellerin anzufangen. Was ja nichts heißen will: Zu Lotti Huber war mir auch nichts eingefallen. Ihre Sache als Gloria Mundi hat sie ganz gut bewältigt, wäre sie schauspielerisch ergiebiger gewesen, wäre ihre Rolle auch größer geworden. So habe ich mich auf das notwendige Minimum an Szenen beschränkt.

Das bayerische Dienstmädchen war eine Freundin von einem Freund von mir. Die Szenen, in denen sie auftritt, haben wir in ihrer Wohnung gedreht. Sie war ein toller Typ. Wenn sie interessiert gewesen wäre, hätte sie im nächsten Film wieder mitmachen können. Sie ist Graphikerin und war mit dem Aufbau ihrer Karriere oder ihres Studios beschäftigt. Da hat sich dann nichts Weiteres ergeben. Es ist eben so, daß ich oft mit den Leuten arbeite, mit denen ich auch privat Spaß habe. Ich suche die Darsteller für meine Filme nicht unbedingt nach ihrem Talent aus, dann hätte ich ja viele zurückweisen müssen.

Evelyn Künneke kannte ich schon ewig durch Bernd Lubowski. Ich war oft bei ihren Geburtstagsfeten dabei gewesen und sie hatte ja bereits in „1 Berlin-Harlem“ mitgemacht. Danach hätte ich mit ihr weiterarbeiten können, aber sie war ja schon durch Praunheim okkupiert, und nachher war unser Kontakt nicht mehr so stark. Außerdem hielt ich sie für keine Schauspielerin. Sie war auch keine sehr pflegeleichte Person. Insofern war ich vorsichtig mit ihr. Ihren kleinen Auftritt in „Blond bis aufs Blut“ haben wir in ihrer eigenen Küche gedreht. Da war sie ja schon sehr gebrechlich.

Nach „Du Elvis, ich Monroe“, wo ich Baduri ein Album anbiete, taucht hier zum zweiten Mal meine Autogrammsammlung auf. Die entstand aus einer pubertären Leidenschaft, die schon zu Ende war, bevor ich begonnen habe, selbst Filme zu machen. Angefangen hatte das draußen in Gatow, da gab es das „Haus Carow am See“, ein Ausflugslokal mit Darbietungen, das Erich Carow eingerichtet hatte, so ein alter Unterhalter, der vor dem Krieg „Carows Lachbühne“ am Weinbergsweg gehabt hatte. Und in Konradshöhe gab es die „Feengrotte“, das war sowas Ähnliches, etwas primitiver, auch mit Artisten und Sängern und so. Da hab ich angefangen, mein Album zu füllen mit drittklassigen Leuten, die heute keiner mehr kennt. Aber ich bin keiner gewesen, der gerne auf Stars gewartet hat, sondern ich habe Briefe verschickt in alle Welt. Das erotische Erlebnis war dann: Der Briefträger kam, und durch den Schlitz fiel etwas aus Hollywood in die Wohnung. „Gejagt“ habe ich nicht soviel. Aber ich weiß noch, ich stand am Titania-Palast, als Marlene Dietrich 1960 Berlin besucht hat. Stunden habe ich da gestanden, habe sie drinnen üben gehört, bis es mir doch zu kalt wurde. Dann hab ich wieder einen Brief geschrieben, an ihr Hotel, und so das Autogramm gekriegt. Im Titania-Palast gab’s auch bunte Nachmittage, da traten dann Evelyn Künneke, Zarah Leander, Liane Haid oder Lilian Harvey auf. Da stand ich auch immer. Es gibt auch ein Photo mit Johannes Heesters und mir. Und mit Marika Rökk. Die hat ja wochenlang den Saal gefüllt. Zarah hab ich noch mal erlebt, wie sie volltrunken den Sportpalast zum Rocken gebracht hat. Und ich bin oft zum Schloßparktheater gegangen, das ja damals das kleine Haus der Staatlichen Schauspielbühnen war, an den Bühneneingang, wir wohnten ja gleich um die Ecke. Bei Marion Michael war ich auch mal an der Wohnungstür in Lichterfelde, damals, in den späten Fünfzigern. Meistens war ich aber so feige, daß ich meine Mutter vorgeschickt habe. Die mußte klingeln, zum Beispiel bei Fritz Tillmann in Nikolassee, ich saß mit meinem Vater im Auto. Dann gehörte zu diesem Hobby natürlich auch, Stars möglichst immer doppelt zu haben und dann zu tauschen. Ich war aber in keinem Fanclub und saß nicht so mit anderen zusammen, wie in „Blond bis aufs Blut“ zu sehen.

Das Polaroid, welches im Film auftaucht, zeigt wirklich Udo Lindenberg. Dagmar Beiersdorf und ich hatten ihn für die Rolle des lebenslustigen Bruders, der sich zeitweise als Frau ausgibt, in „Der sexte Sinn“ vorgeschlagen. Wir hatten ihn im Hotel Hilton – dem heutigen Intercontinental – getroffen, er hat sich probeweise verkleidet. Er wollte die Rolle auch übernehmen, aber sein Management war dagegen, aus Sorge um sein Image. Nachdem er in Adolf Winkelmanns „Super“ gespielt hatte, haben sie vielleicht gedacht, sie könnten ihm eine Filmkarriere aufbauen. Vielleicht meinten sie auch, Dagmar und ich haben bisher Underground gemacht, wenn Lindenberg bei uns spielt, sähe das nicht nach einem Karrierefortschritt für ihn aus. Die Tonbandaufnahmen, auf denen ein Transvestit die Dietrich so perfekt nachmacht, daß Marlenes Tochter meinte, es wäre ihre Mutter, sind dieselben, von denen man auch in „Gut drauf, schlecht dran“ Ausschnitte hört. Und Nilgüns Schwangerschaft habe ich gleich mit eingebaut. Ich komme ja auf Ideen dadurch, daß mich die Realität mit der Nase drauf stößt.

 

Kritische Anmerkungen