Nilgün Taifun
Du Elvis, ich Monroe
Inhalt (ENTHÄLT SPOILER)
Die Kamera befindet sich in einem Raum, in den ein Mann aus einem Hinterhof durch ein Fenster neugierig blickt, nachdem er sich versichert hat, daß niemand in dem Raum ist. Dieser Herr Dorn ruft einen anderen herbei und spricht mit ihm über den abwesenden neuen Mieter der Wohnung, zu welcher der Raum gehört. Der zweite Mann ist an Herrn Dorns Spekulationen und Tratsch aber eher wenig interessiert. In diese Szene ist der Vorspann des Films auf Zwischentiteln hineinmontiert. Eine südländisch aussehende Frau verläßt, einen Schulranzen unter dem Arm, mit einem vielleicht achtjährigen Mädchen ein altes Mietshaus. Offenbar handelt es sich um jene Frau Korkmaz, über die sich der neben ihr wohnende Herr Dorn schon im Hof echauffiert hat. Nun erklärt er aus dem Off: „Also wenn die kleine Korkmaz nicht wär, dann könnte die Dame von mir aus machen, was sie will. Aber mit ’nem Kind hat man doch ’ne Verantwortung!“ Die Frau und ihre Tochter gehen durch verkehrsberuhigte Altbaustraßen (Oppelner/Wrangelstraße). Ein junger Südländer sitzt an einem betagten Kohleherd, rezitiert Lyrik und singt. Unbemerkt beobachtet Herr Dorn ihn dabei, aus dem Hinterhof durchs Fenster lugend, dann den zweiten Mann holend. Der Südländer reckt sich mit nacktem Oberkörper neben einem Spiegel. Nun lugt, mit einem Fußball in der Hand, „die kleine Korkmaz“ durchs Fenster. Ihre Mutter spielt mit ihr und dem Ball und schaut dabei immer wieder zu dem jungen Mann. Frau Korkmaz möchte einen Holzstuhl in eine Mülltonne stopfen. Der Südländer kommt rufend zu ihr ins Bild gerannt und will ihr den Stuhl abnehmen, da er keine Möbel hat. Die beiden stellen sich einander vor: Er wohnt allein, kommt aus Berlin-Rudow, ist ledig und Araber, heißt Tarek. Sie ist Türkin, flirtet ein wenig mit ihm, meint vieldeutig: „Ich hab alles, was sie wollen.“ Sie warnt ihn vor den Nachbarn, „vor allem der dicke, fette Mann, der neben mir wohnt – vor dem müssen sie sich in Acht nehmen“. Während das Gespräch noch zu hören ist, sieht man aus dem Tareks Zimmer, wie Herr Dorn mit zwei Kunstblumen in der Hand über den Hof kommt, in die Wohnung lugt. Dann, aus dem dunklen Treppenhaus, wie er Tarek in etwas aufdringlicher Weise im Haus willkommen heißt. Herr Dorn erfährt, daß der neue Mieter von Beruf Pfleger sei, und stellt sich als Hobby-Hauswart vor, der Tarek zudem aus seiner Wohnung ins Fenster schauen könne. Herr Dorn horcht an einer Wand seiner Wohnung und ruft eine Frau hinzu, die dann ebenfalls lauscht. Aus dem Off hört man, wie sich Frau Korkmaz gegenüber Tarek über dessen Arbeit in der Pathologie mokiert. Zwischendurch erörtern Herr Dorn und seine Besucherin das Verhältnis der beiden. Er meint, wenn die beiden schon mal miteinander Sex gehabt hätten, wüßte er das. Tochter Korkmaz kommt ins Badezimmer und sieht Tarek beim Duschen zu. Sie amüsiert sich darüber, daß er dies mit Badehose tut. Sie ruft ihre Mutter, die ihre Tochter wegschickt und beginnt, eine Banane zu essen, während sie Tarek zusieht und sich ebenfalls amüsiert. Er rechtfertigt sein Verhalten mit Hinweis auf ihre Tochter. Frau Korkmaz und Tarek auf einem Balkon. Sie gießt Blumen und findet, diese würden verwelken wie sie. Er klimpert auf der Gitarre. Sie „kann die arabische Sülze nicht mehr hören“. Er solle statt dessen etwas Schönes singen, etwas von Elvis. Auf den habe sie schon immer gestanden. Und auf die Monroe. „Ich die Monroe und du Elvis Presley – das wär doch ein Paar! (…) Und dann geht’s ganz ruckzuck. Du Elvis, ich Monroe.“ Im Treppenhaus trifft Tarek eine ältere, etwas indisponiert wirkende Frau, die vergessen hat, ihren Rock anzuziehen, und jetzt nach einem ihrer Haarclips sucht. Sie entwindet ihm seine Gitarre und beginnt, auf dieser zu klimpern und dazu zu singen. Da er ihre aufdringlichen Flirtversuche („Bei mir tropft es immer! Vielleicht könnten Sie da mal irgend etwas machen.“) abblockt, empört sie sich schließlich: „So etwas von rüde! Und Sie wollen Ausländer sein?!“ Frau Korkmaz liegt im Unterrock auf ihrem Bett, blickt Tarek an, der mit freiem Oberkörper zu ihr kommt, schließlich ihren Kopf auf ihre Beine legt. Anschließend balgen sich die beiden unter der laufenden Dusche. Zwei Zwischenschnitte zeigen Frau Korkmaz auf ihrem Bett in Ekstase. Schwenk von einem Rettungswagen über den Hochbahnhof Schlesisches Tor. Schwenk von Tarek, der mit nacktem Oberkörper im Fenster seiner Wohnung sitzt, über den Hinterhof. Frau Korkmaz und ihre Tochter auf der Straße. Tarek im Fenster, schreibend. Nonnen in der Oppelner Straße. Ein älterer Mann über Flaschen auf einer Bank liegend. Aus dem Off hört man während all dem eine Frau religiöse Propaganda verbreiten, im Wechsel mit einem türkischen Übersetzer, dazwischen pöbeln Männer in Berliner Tonfall. Tarek tanzt mit Frau Korkmaz’ Tochter, sie auf einem Arm tragend. Frau Korkmaz kommt hinzu, beobachtet die beiden in der Tür stehend, mit zunehmend mißbilligendem Blick. Die beiden hören auf zu tanzen. Die Tochter weint. Tarek macht gegenüber ihrer Mutter eine fragende Geste. Er blickt aus seinem Fenster hinauf zum Vorderhaus. Aus dem Off erzählt Herr Dorn seiner Bekannten: „Jetzt hat sie ihn doch tatsächlich rausgeschmissen! (…) Es hatte wohl mit der Tochter zu tun! (…) Jaja, so sind se: Männer! Männer, sag ich nur!“ Er kommt mit Frau Korkmaz die Treppe hinunter, sie giften einander an. Er meint: „Nun ist wieder Ruhe eingekehrt bei Ihnen. Es tut mir ja so leid für Sie. Ich bin erleichtert.“ Frau Korkmaz sitzt mit ihrer Tochter an einem Tisch, den ein Imbißladen auf die Straße gestellt hat. Die Tochter möchte zu den religiösen Propagandisten, mit den sich dort aufhaltenden Kindern spielen. Die Mutter echauffiert sich darüber zunehmend: „Die beten alle da rum! (…) Jetzt haben wir endlich diese Religion hinter uns, die eine, willste noch eine ausprobieren?“ Die Tochter beginnt zu weinen. Ihre Mutter beschimpft sie. Tarek fegt die Straße und räumt die Überreste von Gemüsekisten in einen Lkw. Frau Korkmaz’ Tochter schleicht sich heran und beobachtet ihn. Aus dem Off hört man ihre Mutter, welche sie wegholt und Tarek wüst beschimpft. Man sieht ihn, wie er durch einen dunklen Fußgängertunnel läuft (der heute nicht mehr existierende Görlitzer Tunnel zwischen Oppelner und Liegnitzer Straße), auf das Licht am Ende zu. Dann auf einer Brücke ohne Geländer an der Berliner Mauer (Treptower Brücke über den Landwehrkanal), an einem Kanal. Im Off schimpft er zurück. Schwenk über eine alte Bahnbrücke. Tarek an der Mauer. Frau Korkmaz und er beschimpfen einander weiter. Zerstörte Rohrleitungen. Tarek an der Spree (zwischen Pfuel- und Oberbaumstraße), die Mauer vis-à-vis, die Oberbaumbrücke im Hintergrund. Herr Dorn und seine Bekannte sitzen nebeneinander und lauschen dem Streit zwischen Frau Korkmaz und Tarek, der aus der Nebenwohnung herübertönt. Sie meint, sie habe keinen Mann nötig, nur einen Menschen. Er, dann müsse sie sich eine Frau nehmen. Herr Dorn wendet sich durchs Fenster an Tarek und bietet ihm zum Verkauf ein Album mit Autogrammen und Bildern an, unter anderem von Marilyn Monroe und Elvis Presley: „Wär das nicht was für Frau Korkmaz?“ Er gibt sich überrascht darüber, daß die beiden nicht mehr zusammensein sollen, preist das Buch dann als „schönes Versöhnungsgeschenk“ an. Tarek lehnt ab, weil es ihm viel zu teuer ist. Er läuft auf der Straße einer jungen Blondine hinterher. An der Ecke (Wrangel- und Oppelner Straße) begegnen sie Frau Korkmaz und ihrer Tochter. Aus dem Off erzählt Herr Dorn dazu, die drei hätten eine Beziehung miteinander begonnen. Das Trio läuft Hand in Hand über die Straße, sitzt in einem Straßencafé, vergnügt sich mit der Tochter auf einer Rasenfläche mit Skulpturen (zwischen Schlesischer und Oberbaumstraße). Im Treppenhaus überfällt die etwas indisponiert wirkende ältere Frau Herrn Dorns Gesprächspartner vom Anfang des Films und möchte ihm den neuesten Tratsch über Frau Korkmaz und deren Ménage à trois mitteilen, woran dieser aber nur wenig Interesse zeigt. Dann versucht sie, mit ihm zu flirten. Und dann möchte zu ihm in die Wohnung kommen, weil man von dieser aus mit ihrem Fernrohr besser beobachten könne, was bei Frau Korkmaz passiert. Außerdem tropfe es bei ihr dauernd. Der Mann erwidert, er sei kein Rohrleger. Frau Korkmaz führt vor der Blondine, die rauchend auf ihrem Bett liegt, einen Bauchtanz auf. Schließlich geht sie zu der Frau, küßt und streichelt sie, derweil aus dem Off ein Lobgesang von Frau Korkmaz auf ihre neue Freundin zu hören ist. Die Tochter beobachtet die Intimitäten durch einen Türspalt. Die Blondine weist ihre Gastgeberin zurecht, als diese sie als Monroe-Imitation betrachten möchte. An den Mülltonnen begegnen Frau Korkmaz und Herr Dorn einander. Er versucht, sie über ihre Lebenslage auszuhorchen, und beschwert sich über ihre Lautstärke: „Sagen Sie: Ist das Ihr Privatleben oder sind das Pornokassetten, was ich da höre?“ – „Teils, teils.“ Er sorgt sich um ihr Kind, beschimpft sie. Tarek produziert sich à la Elvis vor Frau Korkmaz und ihrer Tochter, die ihn, auf dem Bett liegend, beobachten und ihm applaudieren. Die Tochter erzählt ihm, an seinem Kohleofen, vom Verhältnis zwischen ihrer Mutter und der Blondine. Herr Dorn hört, auf seinem Sofa sitzend, einen lautstarken Streit zwischen Frau Korkmaz und Tarek. Zu diesem, der mit freiem Oberkörper in seinem Fenster sitzt, kommt die Blondine. Beide beginnen ein Gespräch über die Beziehung(en), wie sehr „die Kleine“ ihn vermissen würde, wie wenig er auf Grund seiner Erziehung die lesbische Beziehung akzeptieren könne. Dazwischen sieht man Szenen mit Frau Korkmaz, ihrer Tochter und Tarek. Frau Korkmaz steht, mit blonder Perücke und einem Spiegel in der Hand, auf ihrem Balkon und singt. Ihre Tochter drängt vergeblich auf Hilfe bei ihren Schulaufgaben. Schließlich nimmt Frau Korkmaz ernüchtert ihre Perücke ab und zieht aus ihrem Büstenhalter das Material, mit dem sie diesen ausgestopft hatte. Herrn Dorn und seine Nachbarin kleben wieder an der Wand und hören die beiden Frauen stöhnen. Über „den Tarek“ habe Frau Korkmaz viermal geheult, aber nur kurz, berichtet Herr Dorn: „Wie die Weiber so sind, nicht? (…) Anwesende ausgenommen. Wir zählen ja nicht.“ Ein kleiner Junge liegt im Hinterhof auf einem Handtuch und schaut in die in den Asphalt eingelassenen Roste. Tarek beobachtet ihn aus seiner Wohnung heraus. Frau Korkmaz’ Tochter kommt an sein Fenster. Er spricht mit ihr. Ihre Mutter kommt hinzu und zerrt ihre Tochter weg. Die Bekannte von Herrn Dorn kommt an Tareks Fenster. Dieser dreht sich weg. In ihrer Wohnung drängt Frau Korkmaz die Blondine, ein Kleid anzuziehen. Als diese erkennt, daß sie wieder als Monroe-Imitation herhalten soll, zerstreiten sich die Frauen. Frau Korkmaz erklärt, sie liebe die andere nur wegen ihrer äußeren Ähnlichkeit mit dem Star. Die Tochter belauscht den Streit. Die indisponiert wirkende ältere Frau sitzt im Treppenhaus. Herr Dorn kommt hinzu und zeigt ihr Bücher über Marilyn Monroe, welche er Frau Korkmaz geliehen und nun beschädigt und beschmiert aus dem Müll gefischt habe. Er berichtet, Frau Korkmaz habe einen Suizidversuch unternommen. Zwischendrin sieht man einen handgreiflichen Streit zwischen ihr und Tarek. Herrn Dorns Bekannte belauscht, auf dem Weg zu den Mülltonnen, Tarek, der an seinem Herd zur Gitarre singt. Während er singt, sieht man, wie er am Hochbahnhof wartet, wie Frau Korkmaz mit ihm im Bett liegt und aus einer Bierflasche trinkt, dazu beginnt aus dem Off wieder das Gespräch zwischen der Blondine und Tarek, das man dann auch sieht, die beiden nun im Hof stehend, vor dem Fenster, aus der Wohnung heraus gefilmt. Zwischendrin Frau Korkmaz und die Blondine fast nackt im Bett, Tarek schaut zu, die Frauen lachen. Etwas unvermittelt beginnt die Schlußmontage des Films: Die Frauen und die Tochter tanzen in der Korkmazschen Wohnung, schließlich auch Tarek. Dazwischen noch einmal kurze Ausschnitte von bisher Gesehenem, aber auch die Fortsetzung jener Szene, in der Tarek am Hochbahnhof wartet: Als die beiden Frauen und die Tochter aus der Station kommen, geht er auf Frau Korkmaz los. Am Ende des Tanzes liegen alle vier nebeneinander auf dem Teppich. Schlußtitel: „Allen unmöglichen Lieben dieser Welt gewidmet“